Der 1921 geborene A bezieht seit 1973 für die Folgen wiederholter Diskushernienoperationen mit Cauda equina-Syndrom von der Militärversicherung eine volle Erwerbsunfähigkeitsrente. Anspruch auf eine Integritätsschadenrente bestand nicht, da nach der damaligen Praxis bei Vorliegen beider Beeinträchtigungen (Erwerb und Integrität) nur die schwerer wiegende Rente gewährt werden konnte.
Seit 1988 leidet A auch unter arteriellem Bluthochdruck. Nach einer kreisärztlichen Untersuchung lehnte die Militärversicherung in einer vorläufigen Mitteilung vom 28. September 1992 die Haftung für den Bluthochdruck ab.
Einspracheweise forderte A nicht nur die Übernahme der Behandlungskosten des Bluthochdruckes, sondern zusätzlich noch die Ausrichtung einer Integritätsschadenrente.
Mit Verfügung vom 13. August 1993 lehnte das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) die Bundeshaftung für den Bluthochdruck und dessen Folgen ab. Gleichzeitig trat es auf das Begehren um Ausrichtung einer Integritätsschadenrente nicht ein.
A lässt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde Anträge betreffend Haftung für den Bluthochdruck sowie bezüglich Integritätsschadenrente stellen.
Das BAMV beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde mit der nachfolgenden Begründung insoweit gutgeheissen, als es die Verfügung vom 13. August 1993 betreffend das Gesuch um kumulative Gutsprechung einer Integritätsschadenrente aufgehoben und das BAMV verpflichtet hat, über dieses Gesuch materiell zu befinden. Im übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
5. - Kann von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes erwartet werden, so ist eine Invalidenrente auszurichten, wenn der versicherte Gesundheitsschaden eine voraussichtlich bleibende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit hinterlässt, eine Integritätsrente, wenn er eine erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen psychischen Integrität zur Folge hat (Art. 23 Abs. 1 aMVG). Bei gleichzeitigem Vorliegen von Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit und erheblicher Beeinträchtigung der körperlichen psychischen Integrität wird nur eine Rente zugesprochen, bei deren Berechnung jedoch beiden Beeinträchtigungen Rechnung getragen wird (Art. 25 Abs. 3 aMVG).
Weist der Versicherte gleichzeitig eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und eine Beeinträchtigung der körperlichen psychischen Integrität auf, sind seit der mit BGE 110 V 124 Erw. 2e geänderten Rechtsprechung vom 23. Mai 1984 beide Schäden kumulativ - durch Gewährung einer einzigen Rente - zu entschädigen, und nicht mehr nur der überwiegende Schaden. In einem solchen Fall wird die Beeinträchtigung der Integrität durch eine Erhöhung der - gemäss Art. 24 aMVG berechneten - Invalidenrente entschädigt, und zwar mit einem Zuschlag in Franken, der nach billigem Ermessen festgesetzt und nach dem Grad der Beeinträchtigung abgestuft wird (BGE 110 V 124 Erw. 3).
6. - Die Frage, ob das BAMV verpflichtet ist, den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Integritätsschadenrente materiell zu prüfen, ist zu bejahen, sofern die seit BGE 110 V 117 ff. geltende Rechtspraxis der Kumulierbarkeit der Ansprüche bei gleichzeitiger Erwerbsunfähigkeit und Integritätseinbusse ein Rückkommen auf die (am 11. April 1973) rechtskräftig und fehlerfrei verfügte Invalidenrente gebietet.
a) Ob Änderungen des objektiven Rechts seit Verfügungserlass ein Eingreifen in ein rechtskräftig geregeltes Dauerrechtsverhältnis rechtfertigen, wird von der Rechtsprechung differenziert beantwortet. Besteht die Rechtsänderung in einem Eingriff des Gesetzgebers, somit in einer neuen für den Anspruch erheblichen Norm, so ist - die Existenz wohlerworbener Rechte vorbehalten - die Anpassung der Verfügung über ein Dauerrechtsverhältnis nicht nur erlaubt, sondern gefordert. Besteht aber die Änderung des massgebenden Rechts lediglich in einer neuen, gerichtlich bestätigten Verwaltungspraxis einer neuen Rechtsprechung, so darf die Verfügung über das Dauerrechtsverhältnis grundsätzlich nicht angetastet werden; eine solche Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine neue gerichtlich bestätigte Verwaltungspraxis eine neue Rechtsprechung ist nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Ein wichtiger Ausnahmefall ist dann gegeben, wenn eine neue Praxis in einem solchen Masse allgemeine Verbreitung erhält, dass deren Nichtbefolgung als Verstoss gegen das Gleichheitsgebot erschiene. Unter dieser Voraussetzung liegt im Ergebnis die gleiche Situation vor wie im Falle einer nachträglichen Änderung des objektiven Rechts, so dass eine Praxisänderung Anlass zur Umgestaltung eines Dauerrechtsverhältnisses geben kann (unveröffentlichtes EVG-Urteil L. vom 15.5.1995).
b) Mit dem soeben zitierten Urteil bejahte das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Ausnahmesituation im dargelegten Sinn für die Anpassung laufender Erwerbsunfähigkeitsrenten an die mit BGE 110 V 117ff. eingeleitete Rechtspraxis im Sinne der kumulativen Berücksichtigung einer erheblichen Beeinträchtigung der körperlichen psychischen Integrität. Diese Praxis sei die seit 1984 verbreitete, einzige Entschädigungsweise im Rahmen des bis 31. Dezember 1993 gültig gewesenen, für altrechtliche Invalidenund Integritätsschadenrenten weiterhin massgeblichen Rechts (Art. 112f. MVG). Davon gehe auch das neue MVG aus. Werde ein gleichzeitig in seiner Erwerbsfähigkeit und in seiner Integrität erheblich beeinträchtigter Versicherter auf Jahr und Tag bloss für den die höhere Rente auslösenden Nachteil entschädigt, obwohl sich längst eine Rechtspraxis durchgesetzt und allgemeine Verbreitung gefunden habe, welche die kumulative Abgeltung beider Schäden, Erwerbsunfähigkeit und Integritätseinbusse, berücksichtige, schaffe dies krasse Ungleichheiten. Dies sei insbesondere dann stossend, wenn die Voraussetzungen für eine Revision nach Art. 26aMVG auf absehbare Zeit hinaus nicht gegeben seien und damit die in Art. 112 Abs. 1 und Art. 114 Abs. 1 MVG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Rentenrevision nach neuem Recht entfalle (EVG-Urteil L. Erw. 4c).
c) Ein solcher Sachverhalt liegt auch hier vor. Der Beschwerdeführer gilt seit dem 11. April 1973 als vollständig invalid. Aufgrund der medizinischen Akten hat sich sein Gesundheitszustand seither verschlechtert, und eine Besserung ist nicht zu erwarten. Unter diesen Umständen verletzt das Verharren des BAMV auf der formellen Rechtskraft der ursprünglichen Rentenverfügung Art. 4 BV, weil dadurch der Beschwerdeführer zeitlich unbeschränkt im Hinblick auf aktuelle und künftige Lebenssachverhalte von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen bleibt, die bei jedem andern Versicherten in vergleichbarer Lage Anlass zu einer kumulativen Entschädigung gäbe (EVG-Urteil L. Erw. 4c mit Hinweisen).
Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung betreffend das Nichteintreten, verbunden mit der Verpflichtung des BAMV, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und darüber materiell zu befinden.
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